Was in Erscheinung tritt, stammt von demjenigen ab, was sich nicht zeigt

Aron Mehzion

04.03 – 16.04

Aron Mehzion
What appears derives from what doesn’t show itself.

March 4 – April 16, 2022

Opening: Friday, March 4, 3–6.30pm

For more than twenty years, Aron Mehzion’s work has conceptually and visually approached phenomena that stubbornly elude our perception. While in his drawings, which all bear the title Passage, he uses constant repetition and double contouring to drive a clearly identifiable object into unrecognizability and complete abstraction, his sculptures point to spaces whose actual experiencing would presuppose four-dimensional perception.

 

As can be studied in the example of Marcel Duchamp, the fact that our perception is limited to three-dimensional space does not make speculation about four-dimensional space any less fruitful in the realm of visual art. The french artist suggested the standpoint that three-dimensional objects in the world perceptible to us are merely projections of four-dimensional objects – an idea on which many of his works are based, not least The Large Glass (The Bride Stripped Bare by Her Bachelors, Even). It is significant that, in a group of works, Aron Mehzion, too, employs a glass placed in the room as a projection surface for a four-dimensional geometry. With that, he is one of the few artists since Duchamp who uses the artistic possibilities to radically explore the spaces of thought that are still relevant in current theoretical physics and that have even taken on central importance in the framework of quantum mechanics.

 

Mehzion’s new works pursue the ideas of the analogy between the transition from the second to the third dimension, on the one hand, and the transition from the third to the fourth dimension, on the other, using the example of the Platonic cube and the hypercube. The seemingly simple objects, in part composed of countless cubes put together, display as much as they conceal, whereby the classic dialectic here is reversed, because in the theoretical framework of multi-dimensional geometry, what remains removed from our perception becomes the precondition for what we see. Marcel Duchamp once formulated this thought as follows: “Every ordinary three-dimensional body – inkwell, house, captive balloon – is the perspective that numerous four-dimensional bodies cast into the three-dimensional milieu.” If we take this idea seriously, the result is a certain humility in the face of everything empirical’s limited power of knowledge, which is inscribed as an ethical stance in the entire oeuvre of Aron Mehzion.

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Seit über zwanzig Jahren setzt sich die Arbeit von Aron Mehzion mit der gedanklichen und visuellen Annäherung an Phänomene auseinander, die sich unserer Wahrnehmung beharrlich entziehen. Während er in seinen Zeichnungen, die allesamt den Titel Passage tragen, einen eigentlich klar identifizierbaren Gegenstand in der ständigen Wiederholung und Doppelkonturierung in seine Unkenntlichkeit und vollkommene Abstraktion treibt, deuten sich in seinen Skulpturen Räume an, deren tatsächliches Erleben eine 4-dimensionale Wahrnehmung zur Bedingung hätte.

 

Wie sich am Beispiel von Marcel Duchamp studieren lässt, macht die Tatsache, dass sich unsere Wahrnehmung auf den dreidimensionalen Raum beschränkt, die Spekulation zum 4-dimensionalen Raum im Bereich der bildenden Kunst nicht weniger fruchtbar. Der französische Künstler legte die Betrachtungsweise nahe, dass dreidimensionale Gegenstände der für uns wahrnehmbaren Welt lediglich Projektionen vierdimensionaler Objekte seien – ein Gedanke, der vielen seiner Werke, nicht zuletzt dem sogenannten Großen Glas zugrunde liegt. Es ist bezeichnend, dass auch Aron Mehzion in einer Werkgruppe das in den Raum gestellte Glas als Projektionsfläche einer vierdimensionalen Geometrie einsetzt. Er ist damit einer der wenigen Künstler*innen, die seit Duchamp, in radikaler Weise die künstlerischen Möglichkeiten jener Denkräume erkundet, die in der aktuellen theoretischen Physik noch immer relevant sind und im Rahmen der Quantenmechanik sogar zentrale Bedeutung gewonnen haben.

 

Die neuen Arbeiten Mehzions verfolgen den Gedanken der Analogie zwischen dem Übergang von der zweiten in die dritte Dimension und dem Übergang von der dritten in die vierte Dimension am Beispiel des platonischen Würfels und des Hyperkubus. Die vermeintlich einfachen, zum Teil aus zahllosen Würfeln zusammengesetzten Objekte zeigen ebenso viel wie sie verbergen, wobei sich die klassische Dialektik hier umkehrt. Denn im theoretischen Rahmen der vieldimensionalen Geometrie wird dasjenige, das unserer Wahrnehmung entzogen bleibt, zur Bedingung der Möglichkeit dessen, was wir sehen. Marcel Duchamp hat den Gedanken einmal wie folgt formuliert: „Jeder gewöhnliche dreidimensionale Körper, Tintenfass, Haus, Fesselballon ist die Perspektive, die zahlreiche vierdimensionale Körper in das dreidimensionale Milieu werfen.“ Nimmt man dies ernst, ergibt sich eine gewisse Demut gegenüber der beschränkten Erkenntnismacht alles Empirischen, die dem gesamten Werk Aron Mehzions als ethische Haltung eingeschrieben ist.