Schablone und Fragment

Magnus Plessen

27.04 – 09.06

Daniel Marzona freut sich, die Ausstellung Schablone und Fragmentmit neuen Arbeiten von Magnus Plessen ankündigen zu dürfen. Die Ausstellung zeigt Arbeiten aus seiner Serie “1914”, an der Plessen die letzten vier Jahre gearbeitet hat und die sich grundsätzlichen Fragen von Glück und Vergänglichkeit des menschlichen Daseins widmet. Hierbei nehmen die Arbeiten pointiert auf die Geschichte der Kriegsversehrten des Ersten Weltkrieges Bezug.

Ausgangspunkt für Magnus Plessens “1914” – Serie ist das Buch Krieg dem Kriege(1924) des deutschen Pazifisten Ernst Friedrichs – eine bahnbrechende Publikation, die fotografisches Material verstümmelter Soldaten versammelt und zum ersten Mal nach dem Ende des Ersten Weltkrieges die verheerenden Folgen der automatisierten Kriegsführung verdeutlichte. Plessens Arbeiten zeigen das menschliche Subjekt so radikal gebrochen und aus dem Kontext gerissen, dass im Ergebnis eine häufig desorientierende Komposition entsteht, die traditionellen Repräsentationsformen widerspricht. Durch die mehrfache Drehung der Leinwände während des Arbeitsprozesses entstehen multiple Perspektiven. Auf der Fläche der Leinwand oszilliert das Dargestellte zwischen Zwei- und Dreidimensionalität und in der Auflösung der Figur-Grund-Beziehung zerfließt im malerischen Ansatz Plessens die vertraute illusionistische Bildräumlichkeit, sodass der Betrachter gleichsam in eine fast traumartige, verunklarte Dimension der Wahrnehmung geworfen wird.

Plessen kontrastiert in den neuen Arbeiten wiederkehrende, schablonierte Bildelemente mit Bereichen, die spärlich ausgearbeitet und zunächst unvollendet wirken. So vereinen seine Gemälde scheinbar frei schwebende Körperfragmente wie Köpfe, Arme, Beine und Hände mit Objekten des Alltags, die sich  in kontrastierenden Tönen von beispielsweise tiefem Schwarz, Grau, Beige und fleischigem Rosa, zur irritierenden Darstellungen fragmentierter Körperlichkeit zusammenfügen. Hatten bereits die frühen Bilder aus der “1914”- Serie versucht, traditionelle Formen der Repräsentation zu unterlaufen, spitzen die neuen Arbeiten in der Auflösung der Figur-Grund-Beziehung diesen Ansatz weiter zu. Der Malgrund und die auf ihm erscheinenden Formen fallen radikal in eins – gedoppelte Gesichter, Gliedmaßen, Gegenstände des Alltags finden keinen eigens ausgewiesenen und räumlich definierten Ort auf den Bildflächen, sondern erscheinen vielmehr als seien sie wie Intarsien in den Bildträger eingelegt. Das Gemälde ‘Ohne Titel (47)’ führt die Idee des Zusammenfalls von Figur und Grund ins Extrem. Ein halb ausgearbeiteter Oberkörper, der sonderbar unbeholfen einen Schädel umfasst, verschmilzt mit der Andeutung eines Hintergrundes, der wiederum auf einer Ebene mit der ansonsten unbearbeiteten Leinwand angeordnet ist. Der Kopf der Figur bleibt dem Blick der Betrachter durch ein überdimensioniertes hutartiges Gebilde entzogen. Obwohl hier nichts stimmt, Perspektiven gebrochen erscheinen, der Bildraum in die Fläche gezwungen wird, kommt der Darstellung eine fast perverse Intensität und Dringlichkeit zu, die an bestimmte Bildformen des Surrealismus anschließt. Insgesamt evozieren die neuen Arbeiten Plessens eine sowohl tatsächliche als auch metaphorische Flachheit, wirken wie Schnittmuster, deren Ganzes aus disparaten Teilen zusammengefügt wurde und suggerieren ein beinah Bühnenhaftes, simultanes Ereignis unterschiedlichster Momente auf die Bildfläche. Dass es den Arbeiten dennoch gelingt, die fragmentarisch gebrochene Körperlichkeit mit einer enormen Präsenz zu versehen und in einen emotional und intellektuell berührenden Resonanzraum zu überführen, bezeugt die eigentliche Qualität der neuen Bildexperimente von Magnus Plessen.


Daniel Marzona is pleased to announce the exhibition “Stencil and Fragment” with new works by Magnus Plessen. The exhibition includes pieces from his series “1914”, which Plessen has been working on for the last four years. It is devoted to fundamental questions of  happiness and the transience of human existence. The series is inspired by the book “War Against War” (1924) by the German pacifist Ernst Friedrichs – a trailblazing publication of photographs of horribly wounded soldiers which depicted, for the first time after World War I, the devastating consequences of waging an automated war.

Plessen’s paintings show the human individual so radically broken and torn from its context that the result is often a disorienting composition that contradicts traditional forms of representation. By turning the canvases several times during the work process Plessen enables multiple perspectives. On the surface of the canvas, what is depicted oscillates between two- and three-dimensionality; and with Plessen’s painterly approach, the figure/ground relationship melts away.  The viewer is thus cast into an almost dreamlike, obscured dimension of perception.

In these new works, Plessen contrasts recurring, stenciled pictorial elements with areas that are only sparsely elaborated and initially seem unfinished. His paintings unite seemingly free-floating body fragments, like heads, arms, legs, and hands, with everyday objects that merge in disconcerting depictions of corporeality with areas of deep black, gray, beige, and fleshy pink. Where the early pictures from the “1914” series sought to undermine traditional forms of representation, these new works intensify this approach by dissolving the figure-ground relationship. The canvas substrate and the forms fuse together – doubled faces, limbs, and everyday objects find no assigned and spatially defined spot of their own in the picture, but appear rather as floating inlays. The painting “Untitled (47)” takes the idea of the coinciding figure and ground to the extreme. A half-elaborated torso that, with a strange awkwardness holds a skull, melts into a hint of a background that blends into an unprocessed canvas. An oversized hat-like structure denies the viewer any glimpse of the figure’s head. Nothing here seems in its proper place, perspectives seem broken, and the pictorial space is forced onto the surface, giving the picture an almost perverse intensity and urgency bringing to mind certain Surrealist tactics. Overall, Plessen’s new works evoke an actual and metaphorical flatness, seeming like dressmaking patterns whose wholes were cobbled together from disparate parts suggesting an almost theatrical event. The works have an enormous presence even with all their fragmentary, broken corporeality we are transposed into an emotional and intellectual space of resonance which testifies to the real power of Magnus Plessen’s work.