F I R S T

Sarah Loibl

15.03 – 20.04

Daniel Marzona freut sich, die erste Einzelausstellung mit neuen Arbeiten von Sarah Loibl (*1987 in München) anzukündigen.

 

Sarah Loibls Bilder thematisieren auf vielschichtige Weise das Ineinandergreifen von Körperlichkeit, Bewegung und Raum.

Die in ihrem Konvolut Möglichkeiten vor dem Modell erarbeiteten Setzungen halten Gesten, Posen, Bewegungen des menschlichen Körpers auf transparentem Papier fest, ohne sie einzufrieren. Die Flüssigkeit der eingesetzten Malmittel entspricht der Flüchtigkeit des sich auf den Papierbahnen in Andeutungen und als Spuren ablagernden Geschehens.

Dieser Bildspeicher, den Loibl ihren wandbezogenen Arbeiten im Ausstellungsraum einmal nonchalant als ungeordneten Stapel loser Blätter auf einem Rolltisch hinzugesellte, wird auf zweifache Weise genutzt und umgearbeitet. Zum einen dient das Material auf Transparentpapier zur Erarbeitung von Collagen, Montagen und Schichtungen, in denen Fragmente einzelner Blätter gegeneinander gesetzt werden, so dass imaginäre Bildräume entstehen, in denen das Körperliche den Gesetzen der Schwerkraft entzogen, ein oben und unten nicht immer als ausgemacht und die Gleichzeitigkeit von gegensätzlichen Bewegungen als immer möglich erscheint.

Zum anderen, in den Realraum überführt, begegnen uns einzelne der in den Collagen zusammengefügten Motive auf monumentalen Bildern wieder, die bis zu 360 x 260 cm messen und auf transparenter Gaze gearbeitet sind. Der Schwung und die Dynamik der Bewegung, die ihre vorbereitenden Zeichnungen auszeichnen, geht auf den großformatigen Bildträgern nicht verloren. Dennoch fordern die vier an der Wand lehnenden und den Betrachter überragenden Bilder, die zusammen die Arbeit Vier Möglichkeiten gegen eine Wand zu rennen bilden, eine veränderte Haltung des Betrachters ein. Eine gewisse Beweglichkeit des Geistes, die es erfordert, den teils disparaten Fragmenten körperlicher Bewegtheit der collagierten Malereien zu folgen, wird auch hier gleichsam vorausgesetzt und ermöglicht. Doch ohne ein Mindestmaß an körperlicher Aktivität seitens des Betrachters sind sie in ihrer Komplexität nicht angemessen zu begreifen. Sie wollen umschritten werden und stiften eine sich je nach Standpunkt immer wandelnde Beziehung zwischen Raum, Bild und Betrachter. Je nach Lichteinfall und Position verändern sich die Schattenwürfe, welche die opaken Zonen der Bilder an die Wand werfen.Im Maßstabssprung evozieren diese Bilder eine nahezu bühnenhafte Theatralik, ohne uns in Erhabenheit zu überwältigen. Sie schließen einfach den Handlungsraum der Malerei mit dem realen Raum, in welchem diese wahrgenommen wird, kurz und beziehen so die Körperlichkeit des Betrachters auf komplexe Weise auf die fragmentierte Körperlichkeit des Dargestellten.

Dass es Sarah Loibl neben allem anderen auch darum geht, ihre Arbeiten offen zu halten, sich dem Diktat des meisterhaft Fertigen zu widersetzen und stattdessen den Prozess des Machens als Bewegung und Verschiebung, wie auch den Prozess der Wahrnehmung zu betonen, mag sich daran zeigen, dass drei der großformatigen Bilder als gleichwertige Möglichkeit auch als hintereinander an die Wand gelehnten Stapel gezeigt werden können. So angeordnet ergibt sich eine Abstraktion, die dennoch auf Spuren von Bewegung verweist und ein dynamisches Bildgeschehen spürbar werden lässt. Und das bliebe dann nur eine von drei Möglichkeiten gleichzeitig gegen drei Wände zu rennen.

 


 

Daniel Marzona is pleased to announce the first solo exhibition of Sarah Loibl (*1987 in Munich) with new works.

 

Sarah Loibl’s pictures address in a multifaceted way the interlocking among corporeality, movement, and space.

What she works out in front of the model and places in her Konvolut Möglichkeiten (bundle of possibilities) captures gestures, poses, and movements of the human body on tracing paper, without freezing it. The fluidity of the painting materials she uses corresponds to the ephemerality of the happenings layered in allusions and as traces on the rolls of paper.

This image memory, with which, as an unorganized pile of loose sheets on a rolling table, Loibl once nonchalantly accompanied her wall-oriented works in an exhibition room, is used in two ways and reworked. First, the material on tracing paper serves the development of collages, montages, and layerings in which fragments of individual sheets are juxtaposed, so that imaginary pictorial spaces arise in which corporeality is released from the laws of gravity, up and down can no longer be distinguished, and the simultaneity of opposite movements always appears possible.

Second, transposed into real space, individual motifs from those brought together in Loibl’s collages confront us again in monumental pictures measuring up to 360 x 260 cm, presented on transparent gauze. The verve and dynamism of the movement that characterize her preparatory drawings are not lost in the large-format pictures. And yet, the four pictures that lean against the wall and tower over the viewer, together forming the work Vier Möglichkeiten gegen eine Wand zu rennen (four possibilities of running against a wall), demand a change in the viewer’s attitude. A certain mental mobility that makes it possible to follow the sometimes disparate fragments of bodily movement in the collaged paintings is here as if presumed and enabled. But without a minimum of bodily activity on the part of the viewer, they cannot be adequately grasped in their complexity. They want to be walked around, and they produce a relationship among room, picture, and viewer that constantly changes, depending on the viewer’s standpoint. Depending on the incidence of the light and the position, the shadows cast on the opaque zones of the pictures on the wall also change. These pictures’ drastic shift in scale evokes an almost stage-like theatricality, without overwhelming us with sublimity. They simply bring together the painting’s scope of action and the real space in which the painting is perceived, thereby complexly relating the viewer’s corporeality to the fragmented corporeality of what is depicted.

Along with everything else, Sarah Loibl wants to keep her works open, to resist the dictate of masterly production, and instead to emphasize the process of making as movement and shifting and the process of perception. This may be shown in the fact that three of the large-format pictures can equally worthily be shown as a stack leaning against the wall. Arranged in this way, they produce an abstraction that nonetheless points to traces of motion and makes a dynamic pictorial activity palpable. And that would then remain only one of three possibilities of simultaneously running against three walls.