Coulda Woulda Shoulda

Sofia Hultén

15.06 – 31.07

Daniel Marzona freut sich, die zweite Einzelausstellung von Sofia Hultén mit neuen Arbeiten  in der Galerie zeigen zu dürfen.

Die Arbeiten von Sofia Hultén sind getrieben von einer experimentellen Auseinandersetzung mit den Dingen, denen wir im Alltag begegnen. Hulténs rauhe Objekte stammen meistens aus zweiter Hand, online bezogen oder auf der Straße gefunden. Sie tragen in sich Spuren eines früheren Lebens, deuten auf das verborgene Potential und die parallelen Möglichkeiten ihrer kompositorischen Neugestaltung. Ihre Materialien erscheinen oft als Fragmente eines breiteren Aktivitätsrahmens, ähnlich einem Kapitel aus einer längeren Geschichte. In ihren Arbeitsprozessen gelingt es Hultén, gewohnte Strukturen der Wahrnehmung zu umgehen und gleichsam unerkannte Dimensionen in Alltagsgegenständen zu offenbaren. Viele ihrer Arbeiten sind knifflige, manchmal humorvolle Demonstrationen darüber, wie Kunst, oft mehr als Philosophie oder Wissenschaft, zwischen abstraktem Denken und ästhetischer Erfahrung vermitteln kann.

Eine neue Werkserie mit dem Titel Pattern Recognition widmet sich den Motiven von Rätseln und ihrer Entschlüsselung. Hultén hängt Werkzeuge und industrielle Materialien, wie Schraubschlüssel oder Metalausschnitte, auf Lochplatten in geometrischer Anordnung. Diese Arrangements sind inspiriert von den “Bongard-Problemen” der Mitte der 1960er Jahre, einer Reihe von Puzzles, die ursprünglich entwickelt wurden, um Computern beizubringen, abstrakte Muster zu erkennen und ihre Relevanz für die Problemlösung zu bewerten. In Hulténs Adaptation tritt der Betrachter an die Stelle der Maschine, die nach Regeln sucht, die Reihenfolge und Platzierung der alltäglichen Objekten bestimmen. In diesem Erkenntnisprozess wird der Betrachter gleichzeitig mit  grundlegenden  Problemen der Kategorisierung konfrontiert.

One Way or Another spielt mit der Frage, wie die aktuelle Erscheinung von drei verschiedenen Fundobjekten – ein Fleck auf einem Kapuzenpulli, eine kaputte Tasse und ein verbogener Schlüssel – zustande gekommen sein könnten. Neben den Objekten präsentiert ein Video mehrere alternative Erzählungen und Abfolgen von Ereignissen, die möglicherweise zum gegenwärtigen Zustand der Objekte geführt haben könnte. Während eine Sequenz plausibel erscheint, werden die anderen, scheinbar absurderen Kombinationen von Ereignissen als gleichwertig dargestellt – eine spekulative Fiktion aus einer Welt ohne Notwendigkeit.

Auch Reality Plural lässt seine narrativen Möglichkeiten offen: Eine Gruppe von drei Gullydeckeln mit getrockneten Blättern und einer Teerschicht regt die Suche des Betrachters nach einem ordnenden oder selektiven Prinzip für diese Objekte an und hinterfragt zugleich ihr Wesen, ihre Funktion und ihre Vergangenheit. Wie bei allen Arbeiten Hulténs besteht der Fokus der Arbeit darin, einen Sinn für die Kontingenz der Dingwelt zu erzeugen und zu erforschen. Alles könnte auch anders sein und sobald unser naiver Glaube an die Beziehung von Ursache und Wirkung aufgehoben ist, eröffnet sich unmittelbar eine ganz neue Welt. Eng verbunden mit den endlosen Permutationen dieser Welt können wir die politische Dimension von Hulténs Streben nach Offenheit, Zufall und Kontingenz erkennen. Sie macht unsere Sehnsucht nach Gewissheit zunichte, lehnt die großen Erzählungen und eine Rhetorik der Eindeutigkeit ab. Stattdessen fördert Hulténs Arbeit eine nicht-deterministische Weltanschauung von hoher Komplexität, die sich unserer Vorstellungskraft öffnet; eine Haltung gegenüber der Welt, die weit weniger Gefahr läuft, sich in Ideologien zu verstricken, die nach der einen absoluten Wahrheit streben.


Daniel Marzona is pleased to announce the opening of the second solo exhibition of Sofia Hultén with new works.

The work of Sofia Hultén is driven by an experimental questioning of the things we encounter in everyday life. Hultén’s raw objects usually come to her second-hand, sourced online or found on the street. They bear marks of a previous life, suggesting hidden potentials and parallel possibilities in their compositional re-arrangements. Her materials usually appear as fragments of a larger frame of activity, similar to a chapter in a longer storyline.Within her working process Hultén succeeds at circumventing habitual patterns of perception and revealing unascertained dimensions in everyday objects. Many of her works are brain-teasing, sometimes humorous, demonstrations of the ways in which art, often more so than philosophy or science, can mediate between abstract reasoning and aesthetic experience.

A new series of works titled Pattern Recognitionfocuses on the motifs of enigmas and their deciphering. Hulten places tools and industrial building materials, like spanners or metal cut-outs, on perforated panels in geometrical arrangements. The arrangements are inspired by the “Bongard Problems” of the mid-1960s, a series of puzzles originally designed to teach computers to recognise abstract concepts and assess their relevance to problem solving. In Hultén’s adaption, the viewer is taking the place of the machine searching for rules governing the sequence and placement of mundane objects, while confronting fundamental problems of categorisation.

One Way or Anotherplays with the question of how the found state of three different objects – a stain on a hoody, a broken cup and a bent key – could have come about. Next to the objects a video presents several alternative narratives and sequences of events which may have lead to the present state of the objects. While one sequence appears logical the other, seemingly more absurd combinations of events, are presented as equally valid – a speculative fiction from a world without basic necessity.

Reality Pluralsimilarly leaves its narrative possibilities open: a group of three drain covers with dried leaves and a layer of tar stimulates the viewer’s search for an ordering or selective principle for these objects while at the same time questioning their essence, their function and their past. As with all of Hultén’s works, the main concern of Reality Pluralis to offer and explore a sense of contingency. Everything could be different and as soon as our childish belief in the rule of cause and effect is suspended a whole new world opens up for us. Closely connected to the endless permutations of this world we can perceive the political dimension of Hultén’s striving for openness, chance and possibility. It does away with our longing for certainty, it rejects grand narratives and a rhetoric of unambiguous identity. Instead, Hultén’s work promotes a non-deterministic view of the world that is far more complex and open to imagination and by far less in danger of becoming entangled in ideologies seeking absolute truth.