Reflection

Axel Hütte

12.03 – 23.04

 

Opening: Friday, March 11, 2016   6-9 pm

 

“The awareness of the possibility of visual trickery paralyzes the magic of authenticity in photography.“ – Axel Hütte 2014

No other artistic medium has undergone such radical changes, thanks to digital computer image processing, as photography; and these digital interventions are becoming less and less visible. The simulation of reality becomes deceptively real and imperceptible to the untrained eye. Mostly, we are willing to concede a direct connection between the photograph and the real world, even with a vague awareness of the possibility of manipulation in the back of our mind. This contradiction could be attributed to the hybridity of our own postmodern self.

Since the late 1990s, Axel Hütte has continuously sought ways to alienate us from the photographic image. He has explored how to provoke resistance, to cause disconcertment with images that seem familiar and realistic but, at the same time, seem off-kilter. Hütte has deliberately photographed peripheral, often unspectacular places – deserted, “advertisement-free” zones, highlighting not the actual subject but the image and its iconic structures. This is visible in his early views of urban areas (train stations, subways, building entrances), which operate within the ambiguity of perspective views, and interlace the depth of space with the impenetrability of the photographic surface. His interest in pictorial structure also characterizes the landscapes of the 1990s, radically fragmented views in which “landscape” is almost nothing more but a reference. In addition, Hütte’s later phantasmic representations of the Alps fragment the landscape motif even further and lead to a kind of detachment, though with entirely different means than his previous works. Almost all the early landscape photographs feature an evenly lit, white sky as a neutral background, or a blank space. The later works, however, are characterized by dense fog and heavy clouds blocking the mountain views, thus restricting our gaze into the depth of the scene.

In Hütte’s night photographs, which he began in 1997, light reflections and reflexes blur the images, creating complex superimpositions of indoor and outdoor spaces. In the work “Berlin, NG” (2001-2016), the lights from inside the national gallery building shine through reflections on its glass facade. In “Linz, Austria” (2015), it’s again difficult to make out the difference between neon tubes and their reflections. Here, the light reflected on the large soffit of a building actually stems from the Danube, though this is only revealed through a “forensic” study of the overall composition, in which the river is omitted. In a way, the immediate certainty of what is seen is undermined and subject to doubt. Hütte’s photographs of interiors in Venice (since 2012) show intricate spatial relationships involving doors, mirrors, and windows. Light coming in through the windows is reflected off ceilings, walls, and floors in very different ways, revealing its varied qualities. The photographs expose a range of effects from the finest details to a glaring backlight. Hütte has printed some of the Venice photographs on mirrors, which makes these images even more unstable; an effect of reality multiplied.

Axel Hütte uses classic analog photography. Although the images are scanned and digitally processed for printing, these interventions are limited to adjustments of brightness and contrast only, the structure of the photograph remaining untouched. For his first exhibition at Daniel Marzona the artist has selected a number of architectural photographs, somewhat in response to the gallery space. While the stucco on the gallery ceiling refers to the history of the building, its white walls offer space of resonance for Hütte’s works.

 

 

„Das Wissen um die Möglichkeit einer Manipulation am Bild lähmt die Magie der Authentizität der Fotografie.“ – Axel Hütte, 2014

Keines der Medien hat durch die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung am Computer eine so radikale Veränderung erfahren wie die Fotografie. Die Eingriffe ins Bild sind immer weniger sichtbar. Die Simulation von Wirklichkeit wirkt täuschend real und ist für das ungeschulte Auge nicht wahrnehmbar. Meistens sind wir bereit, einer Fotografie einen direkten Bezug zur Realwelt zuzugestehen, selbst wenn uns bewusst ist, dass diese manipuliert ist. Dieser Widerspruch ruft kaum noch Erstaunen hervor und tatsächlich entspricht er der Hybridität der Entwürfe unseres eigenen postmodernen Selbst.

Seit Ende der 1990er Jahre hat Axel Hütte kontinuierlich Wege gesucht, das fotografische Bild wieder fremd werden zu lassen. Wie gelingt es, einen gleichsam widerstrebenden Impuls zu provozieren, mit fotografischen Aufnahmen zu befremden, die gemessen an unseren Bildgewohnheiten nicht unrealistisch erscheinen, aber dennoch irritieren? Hütte hat gezielt periphere, oft unspektakuläre Orte fotografiert – menschenleere, werbefreie Räume – und so nicht das Sujet, sondern das Bild und seine ikonischen Strukturen ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt. Dies zeigt sich bereits in seinem frühen Blick auf den städtischen Raum (U-Bahnstationen, Unterführungen, Gebäudezugänge), der mit der Mehrdeutigkeit perspektivischer Ansichten operiert und dabei die Tiefe des Raumes mit der Undurchdringlichkeit der fotografischen Oberfläche verschränkt. Das Interesse am Bildgefüge prägt auch die Landschaften der 1990er Jahre, radikal fragmentierte Ansichten, in denen „Landschaft“ strenggenommen nur noch als Referenz aufgerufen wird. Auch Hüttes spätere phantasmatische Alpendarstellungen fragmentieren das Motiv Landschaft und führen zu einer Distanznahme, wenn auch mit gänzlich anderen Mitteln als die früheren Arbeiten. War der gleichmäßig helle Himmel in den frühen Landschaften lediglich ein neutraler Hintergrund und bildete damit eine Leerstelle, bestimmen dichter Nebel oder tiefhängende Wolken in den Bergansichten die Szene und beschränken unseren Blick in die Tiefe.

In den seit 1997 entstehenden Nachtaufnahmen verunklaren Lichtreflexe und Spiegelungen das Bild, was zu komplexen Überlagerungen von Innen- und Außenräumen führt. In der Spiegelung auf der Glasfassade in der Arbeit „Berlin, NG“ (2001-2016) werden die Lichtbänder des Innern gleichsam in den Außenraum fortgesetzt. In „Linz, Austria“ (2015) ist es zudem schwer, einen Unterschied zwischen den Leuchtröhren am linken Bildrand und ihren Spiegelungen auszumachen. Und auch dass die Lichtreflexe auf der großflächigen Deckenuntersicht von der Donau herrühren, erschließt sich erst nach einem gleichsam forensischen Studium der bildräumlichen Anordnung, die den Fluss auslässt. Die unmittelbare Gewissheit des Gesehenen wird auf diese Weise untergraben und dem Zweifel ausgesetzt. Auch die Aufnahmen von Innenräumen in Venedig aus dem Jahr 2012 zeigen vertrackte räumliche Verhältnisse mit ihren Blicken durch Türen, in Spiegel sowie auf Fenster, durch die Tageslicht eindringt, um von Decken, Wänden und Böden in ganz unterschiedlicher Weise reflektiert zu werden. Proteusartig sich verändernd wird das Licht hier in allen seinen Qualitäten vorgeführt: von einem Medium, das feinste Differenzen sichtbar macht, bis hin zur Blendung im gleißenden Gegenlicht. Einige der Aufnahmen aus Venedig hat Hütte auf Spiegelglas drucken lassen, was diese Bilder noch instabiler werden lässt. Durch die Spiegel wird in ihnen die Wirklichkeit gleichsam multipliziert.

Axel Hüttes Fotografien entstehen auf klassische analoge Weise. Zwar werden die Aufnahmen gescannt und für den Druck digital nachbearbeitet, doch beschränken sich diese Eingriffe auf die Helligkeitswerte und Kontraste der Darstellung, ohne das fotografische Abbild in seiner Struktur anzugreifen. Für die erste Ausstellung bei Daniel Marzona hat der Künstler ausschließlich Architekturbilder gewählt, nicht zuletzt als Reaktion auf die Galerieräume, an deren Decke Stuckreste auf ihre Geschichte verweisen und die weißen Wände der Galerie so zu einem Erinnerungsraum für Hüttes Werke werden lassen.